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29.08.05
[Demokratie-Diskussion]
Hi!
In einem der Diskussionsbeiträge - ich weiss nicht mehr welchem - wurde die Frage
aufgeworfen: Wie können selbstverwaltete Betriebe und Unternehmen miteinander
vernetzt werden, um eine Demokratisierung der gesamten Wirtschaft zu erreichen?
Dazu folgende Vorschläge:
Statt Parlamenten, die von Parteien besetzt sind, sollten Räte gegründet werden, deren
Mitglieder sich aus Delegierten von Betrieben, aber auch von Delegierten von
VerbraucherInnen-Räten zusammensetzen. Leute aus den Produktions-, Dienstleistungs-
und anderen Unternehmen sind zwar zugleich ebenso KonsumentInnen - doch stehen
für sie die Produktions-, die Bevorratungs oder die Aufwands-Aspekte im Vordergrund.
Dagegen könnten die VerbraucherInnen-Räte die Wünsche und Innovationsvorschläge,
aber auch ästhetische Aspekte einbringen.
Als Beispiel denke ich da an die Aufbruchstimmung Anfang, Mitte der 60er Jahre als sich
in Grossbritannien in einigen Städten die Rockmusik entwickelte - mit einem Kreativitätspotential,
von dem noch heutige Nachahmer zehren. Damals gab es viele kleine Pubs mit Auftrittsmöglichkeiten
und ein Publikum ("VerbraucherInnen"), die die verschiedenen Bands in ihrer Entwicklung
anfeuerten. Und unter den verscheidenen "Szenen" gab es eine reichliche Fluktuation.
Eine solche Infrastruktur, bei der stupider Wettbewerb nach dem Profitprinzip durch einen
Contest (sorry, aber ein besseres Wort fällt mir nicht ein) ersetzt wird, bei dem sich die
Beteiligten gegenseitig zu Spitzenleistungen anfeuern, könnte auch ganz bewusst aufgebaut
werden. Eine wichtige Rolle werden sicherlich auch neue Kommunikationsmittel wie
beispielsweise Mailinglisten spielen - allerdings werden sie sicher nie den persönlichen
Kontakt überflüssig machen.
Übrigens: Die besten Bands waren meist jene, die ohne "Bandleader" auskamen und die
unterschiedlichen Charaktere der Musiker (leider waren's nur wenige Musikerinnen)
ausbalancieren konnten. Und wesentlicher Grund für das Zerbrechen vieler Bands
war der von der Musikindustrie geförderte Star-Kult und der dadurch unter den Musikern
ausgelöste Hype ("Clapton is god"). Die ursprüngliche Demokratie in den Bands war
futsch und die Stars wollten alle die Chefs spielen.
Bis demnäx
Charly
29.08.05
Dieser Beitrag ist für die Diskussionsseite auf Euren Forum
Ich denke, auch diejenigen, die aus dem Wahlboykott ein Dogma machen, nehmen
die Wahlen zu Ernst. Es geht doch gar nicht darum, ob jemand eine Partei
wählt oder nicht. Die entscheidene Frage ist doch, vertraut er/sie den
Abgeordneten und hofft, dass die schon die Interessen für die WählerIn
vertreten. Das ist in der Tat eine total falsche bestensfalls naive
Herangehensweise.
Wenn Menschen ihre eigenen Interessen vertreten, ist es völlig egal, ob sie
sagen, ich lasse mich von niemand vertrete, also die Wahl boykotieren oder
ob sie sagen, ich kann auch noch jemand, der so ähnlich denkt, wie ich, ins
Parlament schicken. Aber nicht deshalb, weil der oder die Abgeordnete dann
meine Interessen vertritt, Stimme der Bewegung ist oder so einen ähnlichen
Quatsch, sondern dort vieleicht etwas Geld loseist, für den einen oder
anderen Kongress, mal die eine oder andere Anfrage stellt, vielleicht auch
mal eine Aktion für Flüchtlinge macht. Nicht mehr und nicht weniger kann
ein/e gutwillige linke Abgeordnete in einen bürgerlichen Parlament
erreichen.
Dafür kommen von den LinksparteikandidatInnen mit aussichtsreichen Plätzen
vielleicht 5 - 10 in Frage. Na und - das schadet doch nichts. Wer es nicht
will, soll einfach zu Hause bleiben. Aber eine Wahlboykott-Kampagne unter
juristischer Aufsicht im Bündnis mit so überzeugten VerfassungspatriotInnen,
die gleich die Demokratie ausgehöhlt wähnen, weil das Parlament mal
vorzeitig aufgelöst wurde? Das braucht mensch sich denn
doch nicht antun.
Peter Nowak
29.08.05
Hallo Peter!
ich meine, wir sind gar nicht so weit mit unseren Ansichten auseinander
wie Du vermutest. Den Schuh mit "Dogmatismus" ziehen wir uns gar
nicht an - da müssen wir also auch nicht beleidigt sein.
Du schreibst:
> Ich denke, auch diejenigen, die aus dem Wahlboykott ein
> Dogma machen, nehmen die Wahlen zu Ernst. Es geht doch
> gar nicht darum, ob jemand eine Partei wählt oder nicht. Die
> entscheidene Frage ist doch, vertraut er/sie denAbgeordneten
> und hofft, dass die schon die Interessen für die WählerIn
> vertreten. Das ist in der Tat eine total falsche bestensfalls naive
> Herangehensweise.
>
> Wenn Menschen ihre eigenen Interessen vertreten, ist es völlig
> egal, ob sie sagen, ich lasse mich von niemand vertrete, also
> die Wahl boykotieren oder ob sie sagen, ich kann auch noch
> jemand, der so ähnlich denkt, wie ich, ins Parlament schicken.
Schau, Adriana hat bereits am 17.08. hier auf diesen Seiten
geschrieben (und damit für alle aus dem InitiatorInnenkreis
gesprochen):
"Wer sich allerdings wehrt, ob nun mit dem Mittel des
Wahlboykotts oder sonst irgendwie, und diese wie auch immer
gefärbte Regierung gewaltfrei bekämpft, unterstützt diese
Regierung nicht. (...) Sicher gibt es auch welche, die wählen gehen und dennoch
die Regierung in der ein oder anderen Weise bekämpfen. Durch
Vermischung entsteht immer eine breite Grauzone zwischen
Schwarz und Weiß. Und wir alle befinden uns irgendwo im Grau -
im lichteren oder im dunkleren... "
Also an diesem Punkt, dass an erster Stelle stehen muss, die eigenen
Interessen aktiv zu vertreten, besteht überhaupt kein Dissens. Erst an zweiter
Stelle kommt dann die Frage nach Wahlboykott, ja oder nein.
An zwei anderen Punkten haben wir allerdings triftige Gegenargumente:
Wenn Du selbst die mögliche Wirkung einiger weniger (!) - also nicht mal
aller - Abgeordneten einer Fraktion der "Linkspartei" im Bundestag so
bescheiden einschätzt (Geld loseisen, Anfrage für Flüchtlinge machen,
Anfragen), ist doch die "Bilanz" völlig schief. Diese 5 - 10 Leute, von
denen Du hypothetisch schreibst - bei vielleicht 50 Abgeordneten
einer "Linkspartei"-Fraktion" - müssten sich für ein solches marginales
Ergebnis mit einer 60-Stunden-Woche ins Zeug legen. Frag mal
beispielsweise Ulla Jelpke. Ulla lässt sich zwar jetzt wieder auf diesen
Quatsch ein, aber sie ist ehrlich genug, über den realen Zeitaufwand
ihrer früheren Tätigkeit als PDS-Bundestagsabgeordnete Auskunft
zu geben. Da steht doch Aufwand und Wirkung in keinem vernünftigen
Verhältnis!
Noch doller argumentiert Conrad Schuler in einem ziemlich umfangreichen
aktuellen Aufruf zur Wahl der "Linkspartei". Das lässt sich an hand von
vier Sätzen auf den Punkt bringen:
"So tapfer und konsequent die
Abgeordneten der Linkspartei im Bundestag die Anliegen der
Bevölkerung auch vertreten mögen, sie und die Öffentlichkeit werden
binnen kurzem an den Punkt gelangen, da offensichtlich wird: Auch
die eindrucksvollsten Reden, die besten Argumente im Parlament
ändern nichts daran, dass die neoliberale Mehrheit mit ihrer Politik
fortfährt. (...) Die Ohnmachtserfahrung einer Linkspartei-Fraktion
im Bundestag wird [das] Aufbegehren befördern. Die parlamentarische
Vertretung und gerade auch ihre relative Ohnmacht kann so ein
Faktor der Stärkung der außerparlamentarischen Bewegung sein,..."
(Originalton Conrad Schuhler)
Kurz: Je ohnmächtiger die "Links"-Fraktion, desto besser für die
Mobilisierung.
Wer beobachtet hat, welche Folgen die Wirkungslosigkeit der Grünen in
den ersten zehn Jahren ihrer Existenz gehabt hat und das analysiert hat,
kann über solchen Wunderglauben nur den Kopf schütteln.
Die weit überwiegende Zahl der WählerInnen der "Linkspartei" wird diese
in der Illusion wählen, damit könne etwas bewegt werden. Und mit den
Reden ihrer Promis wie Lafontaine und Gysi und den Wahlprogrammen
werden sie darin bestärkt. Das kannst Du als "naiv" abtun - aber wenn
Du diesen Faktor ignorierst, ist das ein individualistischer Ansatz, der
zumindest für einen Linken ein wenig merkwürdig ist. Weiter werden
sich diese Menschen, wenn sie schon in kürzester Zeit von der Ohnmacht
und Wirkungslosigkeit der "Links"-Fraktion überzeugen mussten, nicht
etwa dadurch motiviert, selbst etwas zu tun, sondern im Gegenteil in
die Resignation und Lethargie getrieben. Wer seine Hoffnung in Helden
oder Heldinnen setzt und enttäuscht wird, denkt hinterher: "Wenn nicht
mal die etwas erreichen können - wie soll ich kleines Würstchen dann
etwas erreichen." Für dieses Reaktionsmuster gibt es nicht nur
ein Beispiel.
Darüber hinaus solltest Du nicht aus den Augen verlieren, dass eine
grosse Zahl der in den Bundestag entsandten VertreterInnen der
"Linkspartei" in kürzester Zeit korrumpiert und psychisch wie durch
den Wolf gedreht sein wird. Lies mal beispielsweise die detaillierten
Schilderungen von Verena Krieger über ihre Zeit als Bundestagsabgeordnete...
Ist das alles nicht ein verdammt hoher Preis für etwas Geld für den einen oder
anderen Kongress, mal die eine oder andere Anfrage, vielleicht auch
mal eine Aktion für Flüchtlinge?
Und auch in einem weiteren Punkt will ich Dir widersprechen:
Es geht nicht um irgendwelchen Verfassungspatriotismus oder -nostalgie,
wenn Menschen realisieren, dass die parlamentarische Demokratie
zusammenbricht. Dies bezieht sich nicht allein auf die Beobachtung,
wie brachial die sogenannten Verfassungsorgane Bundeskanzler,
Bundespräsident und Bundesverfassungsgericht das Grundgesetz
verbiegen - das ist für sich genommen nichts Neues. Doch selbst Lafontaine
zieht - intelligent ist er ja - Vergleiche mit der Endzeit der Weimarer
Republik. Das wesentliche stabilisierende Moment der Bundesrepublik
war der "Sozialstaat", mit dem die Illusion immerhin einige Jahrzehnte
aufrecht erhalten werden konnte, im Kapitalismus sei ein Ausgleich
der Interessen zwischen unten und oben möglich. Damit ist es
endgültig zu Ende. Nicht nur die deutschen Staatsfinanzen sind bankrott,
mehrere europäische Staaten sind bereits de facto zahlungsunfähig.
Und auf solch unstetem Grund bekommt der Überbau notwendig immer
mehr Risse, Risse, die zudem immer augenfälliger werden.
Nicht ganz zu unrecht wird bereits darüber spekuliert, ob der merkwürdige
Wahlkampf der Union nicht vielleicht damit zu erklären ist, dass intelligente
Leute in deren Reihe intern mit Vehemenz davon abraten, das Regierungsgeschäft
ausgerechnet in einer Zeit zu übernehmen, wo nichts zu gewinnen ist. Saftige
Diäten gibt's auch auf den Oppositions-"Bänken".
Wenn ich in Deinem Beitrag lese, wie Du "die Demokratie" mit diesem immer
offensichtlicher undemokratischen parlamentarischen System identifizierst,
frage ich mich, was Du unter Demokratie verstehst. Auf diesem Diskussions-Forum
läuft zur Zeit eine recht fruchtbare Debatte darüber, wie Demokratie realisiert
werden kann. Wäre es nicht lohnend, da ein wenig mitzumischen?
Tschüss
Harry
30.08.05
politik und rausch
die leute wundern sich warum immer mehr jugendliche und auch
schon kinder sich bewusstlos saufen oder regelmässig mit drogen
zudröhnen. dabei gehen die erwachsenen regelmässig zu wahlen
lassen sich von politikern zudröhnen und beschweren sich hinterher
auch noch drüber dass sie betrogen werden. da wissen sie dann
wenigstens wie das gefühl von entzug ist! das dumme ist nur
dass es einen kreislauf von rausch und kater gibt aus dem es
schwer ist auszubrechen. ich bin zwar erst 16 aber ich werde
auch in zwei jahren nicht wählen. und über alkohol und drogen
müssen mir erwachsene nichts erzählen...
tom
30.08.05
hallo Klaus,
Deine Einschätzung dessen, was es bringt zu wählen, teile ich.
Nur verstehe ich nicht so recht, was es bringen soll einen Wahlboykott
zu unterstützen.
Dieser "Protest" - an wen soll der sich richten? An die, die man gerade
nicht gewählt hat, weil man ihre Ziele nicht teilt?
Viele Grüße
Ralph (2)
30.08.05
Hallo Ralph (2)!
Wir haben Deinen Vornamen mit einer "(2)" versehen, weil sich in diesem Form bereits ein Ralph
beteiligt hat und Ihr beide ohne Nachnamen hier schreibt. Zu Deiner Frage - der nachfolgende
Beitrag ist zufällig gerade so etwas wie eine Antwort. Aber ich melde mich nach diesem nochmal...
Ciao
Klaus
30.08.05
Guten Tag,
habe eure Initiative über das in der Jungen Welt veröffentlichte Interview
gefunden. Nichtmal 40jährig und schon seit 15 Jahren überzeugter Nichtwähler
freue ich mich um so mehr endlich einen Versuch unterstützen zu können, der
den Nichtwähler nicht in das Licht des unpolitischen (schönes Wetter,
Desinteresse, ....) , bzw. unverantwortlichen (du verschenkst deine Stimme
bzw. du gibst sie dem sog. politischen Gegner ....) Bürgers rückt. Seit
langem schwirrt die Idee, einen Volksentscheid ins Leben zu rufen, die
Gruppierung - Nichtwähler - auf den Wahlzettel zu bekommen, um zum einen
die Abgrenzung zu den wirklich unmotivierten zu erstellen und vor allem als
politische Gruppe von immerhin ( wechselnd ) 20 bis 40 % wahrgenommen zu
werden. Für mich war leider früh klar das die PDS nicht so lange brauchen
wird wie die Grünen, um in diesem Lande anzukommen. Gerade als Berliner
könnte man Seiten füllen. Über Rot / Grün brauch` man über verpasste Chancen
nicht trauern, da eigentlich alles andere auch eher überrascht hätte. Der
Beissreflex etablierter Parteien und den entsprechend gelenkten Medien zum
sog. Phänomen Linkspartei zeigt von neuem die große Angst der Etablierten
vor Veränderung zugunsten der Bürger und vor allem Verlust der eigenen
Pöstchen und gesicherten Renten + zusätzlichen Einnahmequellen. Kraft für
euer Unternehmen und
Grüße von Bernd
Habe gerade über Internet euch meine Daten zukommen lassen
30.08.05
Hallo Bernd, hallo Ralph (2), hallo Leute!
Für viele - ebenso wie für mich - sind die von Bernd gerade vorgebrachten Argumente ein Teil
der Ziele, die wir mit diesem politischen Wahlboykott verfolgen.
Weitere Ziele (können sein):
-
Eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen für die politischen Inhalte, die in der öffentlichen Debatte
zu kurz kommen oder ganz anders dargestellt werden. So wird es beispielsweise in den
Mainstream-Medien weiterhin so dargestellt, als ob es einen Atom-Ausstieg gäbe. Dazu
wird diese Darstellung noch getopt mit der Drohung, eine "schwarz-gelbe" Regierung
werde jenen phänomenalen Atom-Ausstieg rückgängig machen
-
Durch eine öffentliche Diskussion des Wahlboykotts wachsendes Bewußtsein dafür zu
schaffen, daß in existentiellen Fragen gegen die Mehrheit der WählerInnen Politik
gemacht wird. Die Unzufriedenheit und das Lamentieren über die Verlogenheit der
PolitikerInnen ist zwar groß, aber immer noch reichlich diffus. Trotz dieser Larmoyanz
gehen viele dennoch wählen - siehe den recht treffenden Beitrag von Tom von heute
morgen.
-
Durch das Auflösen der Illusion, wir lebten hier bereits in einer echten Demokratie, wird
eine breite Debatte belebt wie Demokratie realisiert werden kann. Hierzu finden sich auf
diesen Forums-Seiten bereits viele wichtige Beiträge.
Kein Ziel ist es sicherlich, daß sich dieser Protest - wie es so für Proteste sonst in Deutschland
üblich ist - an die "Herrschenden" (die PolitikerInnen? das Kapital?) richtet, um damit etwas
auszurichten. Eine solche Zielrichtung wäre schließlich nichts anderes als gerade die
Bestätigung der Illusion, es ließe sich durch Politik im herkömmlichen Sinne - also parlamentarische
oder Parteienpolitik - irgend etwas zum Positiven verändern.
Ciao
Klaus
30.08.05
Ein Wahlboykott ist keine Lösung: eine sinkende Wahlbeteiligung wird
genau einen Tag lang bedauert. Dann wird zum Tagesgeschäft übergegangen.
Eine nicht abgegebene Stimme hat keine Wirkung: "Wer schweigt stimmt
zu." Theoretisch kann alles weiterlaufen wie bisher, auch wenn nur 5%
wählen gehen.
Es gibt genügend Alternativen. Diese haben zwar - derzeit - nicht die
Chancen auf Einzug in den Bundestag. Verloren ist so eine Stimme
trotzdem nicht! Dagegen sichert man mit einer Stimme für die kleinen
Parteien deren Existenz in der Zukunft.
Neben der bekannten 5%-Hürde gibt es ebenfalls eine 0.5%-Hürde:
Parteien, die diese Grenze schaffen (oder 1% bei einer Landeswahl),
nehmen an der staatlichen Parteienfinanzierung teil. Dies ist ein fester
Topf im Bundes-Etat, der unter den teilnehmenden Parteien aufgeteilt
wird. Es wird also kein Cent gespart, wenn Parteien diese Hürde nicht
schaffen. Dann wird das Geld nur anders aufgeteilt: auch an die
Parteien, denen Ihr mit dem Wahlboykott einen Denkzettel geben wollt.
Die Wichtigkeit der "kleinen Parteien" wird auch vom
Bundesverfassungsgericht jedesmal betont, wenn die "großen Parteien" mal
wieder versuchen, die Hürden für den Eintritt zu erhöhen.
Freundliche Grüße
Robert Risack
30.08.05
Lieber Herr Risack!
Schade, daß Sie in Ihrer Email nicht offen aussprechen, für welche "kleine Partei" Sie
stehen. Dies geht zwar aus aus Ihrem Email-Absender hervor - wir wollen dies hier
allerdings nicht ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung "outen". Zu einigen Ihrer Argumente
sind auf diesen Forums-Seiten bereits entsprechende Gegenargumente gefallen, so daß
ich diese nicht wiederholen möchte.
Ich möchte Ihnen nun hier allerdings eine Gegenfrage stellen:
Wie erklären Sie es sich, daß alle drei in unserem Aufruf genannten politischen Ziele
(mit denen Ihre Patei ja ebenfalls weitgehend übereinstimmt) bei der in Deutschland
herrschenden Regierungsform, die sich ja Demokratie nennt, keine Chance haben.
Ihre Partei kämpft ja nun nicht gerade erst seit einem Jahr darum, endlich wenigstens
mal die 5-Prozent-Hürde zu nehmen. Wie erklären Sie es sich, daß sie bisher keine
Chance hatte und auch in Zukunft - behaupte ich mal - keine bekommen wird?
Alles Zufall?
Dummheit der Menschen?
Solange Sie auf diese Fragen keine Antwort geben können, dürfen Sie nicht erwarten, daß
ich einer dieser kleinen Parteien auch nur über die 1-Prozent-Hürde verhelfen
will.
Wie Sie dem Beitrag von Klaus Schramm entnehmen können, der Ihrem direkt vorangeht,
geht es uns keinesfalls darum, den großen Parteien einen "Denkzettel" zu geben - wie Sie
vermuten. Das wäre auch vergebliche Liebesmüh!
Noch einige Fragen:
Meines Wissens kandidiert Ihre Partei nicht zur Bundestagswahl am 18. September. Für welche
andere Kleinpartei würden Sie sich denn nun aussprechen? Warum kommt Ihre Partei eigentlich
nicht auf den naheliegenden Gedanken, diesen Wahlboykott zu unterstützen. Zu den in unserem
Aufruf genannten Gründen kommt ja hinzu, daß Ihre Partei durch die extrem verkürzten Fristen
deutlich in Ihren Rechten behindert wurde.
Ich gebe gerne zu, daß uns eine Beteiligung oder ein offener Aufruf Ihrer Partei zur Unterstützung
des Wahlboykotts nicht gerade entzückt hätte, da dies einen wilden Aufschrei in gewissen Kreisen
- Sie wissen, welche ich meine - nach sich gezogen hätte. Gehe ich recht in der Annahme, daß die
Mehrheit der Mitglieder Ihrer Partei derart staatstragend orientiert ist, daß Ihnen die Teilnahme
an einem Wahlboykott gar nicht in den Sinn kommt?
Im Zweifelfall: Was wäre Ihnen wichtiger - das Abschalten der AKWs oder der Erhalt dieses Staates?
Seien Sie mir bitte nicht böse, wenn Ihnen diese Fragen als ungehörig erscheinen sollten -
ich meine es ernst.
Mit durchaus freundlichen Grüßen
Adriana Ascoli
30.08.05
Hallo,
haben Sie sich schon einmal überlegt, was es bedeuten würde, wenn alle
Wahlboykotteure doch zur Wahl gehen würden, aber ihren Wahlzettel ungültig
abgeben würden? Das wäre für einen Parteien-Misstrauensbeweis etwas
effizienter, da die Parteien dann ihre Niederlage (oder seltener: ihren
Sieg) nicht auf gerade jene Nicht-Wähler/Boykotteure schieben könnten, die
eben daheim geblieben sind. Außerdem würde ab m.W. 30% ungültiger Stimmen
die Wahl ungültig, was ein ziemlicher Skandal wäre. Also: sinnvoll
protestieren!
Freundliche Grüße,
Oliver Langewitz
30.08.05
Hallo Herr Langewitz!
Sicherlich haben wir dies überlegt. Es mag für viele langweilig sein, aber ich wiederhole
unser Argument gerne hier nochmals in einem Satz:
Ungültig wählen hat keinerlei erkennbare politische Ausrichtung.
Vielleicht noch eine Ergänzung:
Es wurde und wird nie ausgewertet, ob ein Stimmzettel aus Unkenntnis falsch ausgefüllt wurde,
ob darauf ein "Parteien-Misstrauensbeweis", ein "Heil Hitler" oder sonst was drauf steht oder
- wie es im Internet manche propagieren - eine Scheibe Käse eingefaltet wurde. Was also ist
am Ungültig-Wählen nun "effizient"?
Auch Ihr Hinweis wegen 30 Prozent entbehrt jeder Grundlage - ebenso wie die nicht selten
kolportierten Behauptungen in Hinblick auf Wahlkampfrückerstattung und ähnliche
Falsch-Informationen.
Tschüss
Harry Weber
30.08.05
Pest und Pocken
Ich habe keine Lust mich zwischen Pest und Pocken zu entscheiden. Es gibt
keine Alternativen. Dies wird auch die WASG nicht ändern, da sie sich schon
jetzt - ohne erkennbares Profil - verhält wie alle anderen Parteien. Wo bleiben
die Menschen in dieser Parteiendemokratie?
Ich bin kein Kostenfaktor, ich bin kein Stimmvieh oder Betriebsmittel und
ich wähle nicht mehr zwischen Pest und Pocken.
Auch die EU ist gescheitert. Die Menschen in Europa wollen sie nicht - nicht
so! Hier haben sich die Parteien und Mandatsträger nur einen neuen
Tummelplatz gebaut und machen Politik an den Menschen vorbei. Deutschland bleibt
weitgehend auf der Strecke und steht in der Welt zum Ausverkauf. Innovation und
Wirtschaftskraft wird zu Schleuderpreisen verkauft, die Menschen bleiben dabei
auf der Strecke.
Schlussverkauf der Arbeitskraft. Bei der Ernte werden Überschüsse vernichtet
um die Preise
nicht sinken zu lassen. Auf dem Arbeitsmarkt hat man dafür Hartz IV, damit
die Löhne in den Keller sinken, denn in diesem Fall sollen sie ja sinken. Wie
weit eigentlich noch?
Der Mensch ist Grund und Mittelpunkt des Wirtschaftens und der Politik und
kein Abfallprodukt der Gleichen! Wir sind doch nur das Stimmvieh und die
Sklaven der Politiker und Manager. Ich gebe meine Stimme nicht ab, von mir gibt
es keine Legitimation mehr für eine menschenverachtende Politik. Wer nur noch
die Wahl zwischen Pest und Pocken hat, der hat keine Wahl. Er hat nur noch
die, nicht zu wählen.
Noch heißt es Wahlrecht und nicht Wahlpflicht.
In Anbetracht der wenigen Rechte, die mir noch verblieben sind, kann ich auf
dieses Überbleibsel auch verzichten.
Erika Wagner
31.08.05
@Charly @Reinhard @Stefan @Michael @Karl @Peter @Manuela @Gerhard @Harry
[Demokratie-Diskussion]
Hallo zusammen!
Ich habe oben mal alle speziell "@ngesprochen", die einen Beitrag zum Thema
Demokratisierung oder insbesondere Demokratisierung der Wirtschaft auf
diesen Forumseiten hinterlassen haben. Schade, daß die Beiträge bisher eher
den Charkter von Statements hatten und eine richtige Diskussion untereinander
noch nicht so richtig ins Laufen kam. Vielleicht kann der InitiatorInnenkreis, der
dieses Forum betreut, die Emails, die thematisch zueinander gehören an die
betreffenden Leute (die oben mit "@" aufgelistet sind) weiterleiten - ich vermute
mal, nicht alle davon schauen regelmäßig in dieses Forum...
Ich möchte mal die Gedanken von Charly von vorgestern ein wenig weiterspinnen
und versuche dabei, Hoffnung zu entfachen, daß wir Wege finden, wie
die Umsetzung in die Realität vorangetrieben wird.
Ich fand das Beispiel von Charly, die Entstehung der Rockmusik in den 60er Jahren,
sehr interessant (nicht zuletzt, weil ich mich selbst schon damit beschäftigt habe).
Dieses Beispiel bietet auch einen Ansatz zur Lösung der Frage:
Warum gibt es manchmal Zeiten der Initiative und des Widerstands und dann wieder
(lange) Zwischenzeiten der Apathie?
Am Beispiel der Rockmusik (damals hieß es zunächst "beat") und der
Aufbruchstimmung in den 60er Jahren können wir erkennen, daß zwei, drei Ursachen
positiv zusammengespielt haben.
1. Die gute Infrastruktur, die die damalige Pub-Szene in Großbritannien mit
Auftrittsmöglichkeiten und Bühnen in vielen kleinen Pubs bot.
2. Der Rückschlag der an Schlager und Rock&Roll orientierten Musikindustrie
durch die Payola-Affäre.
Zu 1.: In Liverpool, einem der damaligen musikalischen Zentren, herrschte die
höchste Arbeitslosigkeit, gab es die übelsten Slums und das bunteste
Völkergemisch in ganz England. Über 40 Prozent der Wohnungen waren
Elendquartiere. Mehr als 400 Beatbands spielten damals allein im Gebiet
des Mersey River in Pubs und Kellern und das, obwohl - oder gerade weil -
sie jahrelang von der Plattenindustrie und vom Monopol-Radio BBC
ignoriert wurden.
zu 2.: Es war aufgeflogen, daß nahezu sämtliche Plattenfirmen die
Radio-Discjockeys mit Schmiergeld, Luxusgeschenken und Sex überhäuft
hatten, um "ihre" Stars zu pushen. Damit war unter Jugendlichen der
Rock&Roll endgültig in Mißkredit geraten und der Wunsch nach einer
eigenen, authentischen Musik war groß.
Als vielleicht wichtigstes kam hinzu, daß es allen Beteiligten Spaß machte.
Um es auf ein anderes Beispiel in aller Kürze zu übertragen: 1. Es muß ein
bezahlbarer Fußball her und ein freier Platz im Umkreis von 30 Gehminuten.
2. Der Platz darf nicht von Profis in Beschlag genommen sein und 3. muß
eine Mindestzahl zusammenkommen, die sich fürs Fußball spielen begeistern.
Die Apathie ist ebenfalls nicht sonderlich schwer zu erklären: Ebenso wie
bei der Rockmusik bis Mitte der 70er Jahre der Kommerz die gesamte Szene
kontrollierte, ebenso wie die "Verstaatlichung" der Grünen bis Ende der
90er Jahre abgeschlossen war und ebenso wie bei einer Gruppe Fußball
begeisterter Jugendlicher Vereinstrainer und Talentsucher schnell alles
kaputt machen können - in jedem Fall ist die Macht des Profitsystems
der entscheidende Faktor.
Wie können nun gezielt und geplant die aufgezeigten drei Bedingungen für
eine positive, kreative Entwicklung bei Versuchen zur Demokratisierung
der Wirtschaft eingesetzt werden?
1. Es müssen Branchen ausgesucht werden, für die eine Infrastruktur
vorhanden ist. Beispielsweise gibt es kaum noch kleine, unabhängige
Druckereien, Verlage oder Lokalzeitungen. Ein Bedarf - auch als
Kommunikationsmedium - ist aber vorhanden. Wenn sich in einem
oder mehreren Bundesländern (nicht gleich im gesamten
Bundesgebiet!) mehrere Druckereien gründen, dezentral miteinander
kooperieren, mehrere Lokalredaktionen sich dem Projekt anschließen,
die jeweils eigene Lokalteile und zusammen einen gemeinsamen Mantel
für eine Zeitung produzieren, könnte die nötige Infrastruktur
geschaffen werden. Ich weiß, die 'taz' schließt nach und nach ihre
Lokalredaktionen, momentan wird die in Bremen totgeschrumpft, aber
die 'taz' ist schon lange nicht mehr glaubwürdig und diese Abstoßung
paßt zur Entwicklung der 'taz'.
2. Es muß ein gewisses Vakuum vorhanden sein, in das die Initiative
vorstoßen kann. Im vorliegenden Beispiel ist das klar der Fall. Es gibt
(mit Ausnahme der 'jw' und des 'nd') längst keine kapitalismuskritische
Tageszeitung mehr in Deutschland. Die Lokalredaktionen in den
großen Zeitungen werden überall mehr und mehr ausgedünnt und
produzieren nur noch den Standardmist: Vereinsjubiläen, Spendenübergaben
oder Spatenstiche. Der Lokalteil wird von den meisten Menschen
überblättert.
3. Es muß - für jedes angedachte Vernetzungsprojekt - eine Mindestanzahl
an Leuten gefunden werden, die sich dafür begeistern. Arbeitslose Journalisten
und Drucker gibt's eigentlich genügend...
Und falls es dann tatsächlich funktionieren sollte, muß das Projekt so demokratisch
aufgebaut sein und das Bewußtsein der Beteiligten stark genug entwickelt
sein, daß allen Versuchungen des dann alsbald an die Tür klopfenden
Kapitals widerstanden wird. (Denkt nur mal daran zurück, wieviele gute
Journalistinnen und Journalisten der 'taz' der frühen Jahre von den großen
Zeitungen abgeworben wurden.)
Daß manchmal solche Initiativen wie aus dem Nichts entstehen können,
beweist beispielsweise die Entwicklung der polnischen
Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc, die ja keinesfalls eine Erfindung
des CIA war - wie von manchen Linken noch heute kolportiert wird.
Gruß
Günter
1.09.05
Hallo Günter!
Wir haben jetzt nachträglich alle Diskussionsbeiträge, die sich mehr oder weniger mit dem
Thema befassen, wie eine wirkliche Demokratie aussehen könnte, gekennzeichnet:
[Demokratie-Diskussion]
Damit sind sie leichter zu finden.
Wir werden uns dazu Mühe geben, an alle bisher Beteiligten die laufenden Diskussionsbeiträge
weiterzuleiten. Das ist aber allerhand Arbeit!
Ciao
Adriana
1.09.05
@Harry (29.08.)
Du hast bei Deiner Kritik am Plädoyer von Conrad Schuhler bereits den
wichtigsten Punkt treffend beschrieben. Nach Schuhlers gesamter,
schlüssiger Kritik an der Linkspartei erscheint die logische Volte, am
Ende seines Textes doch zur deren Wahl aufzurufen, ziemlich aufgesetzt.
Es ist zu vermuten, dass dabei heftiger Gruppendruck die entscheidende
Rolle spielte.
Nun erntet Schuhler heftige Gegenkritik. Schuhler wagt es,
die im Grunde sozialdemokratischen Forderungen nach Zugeständnissen
des Kapitals dadurch als unrealistisch zu entlarven, indem er darauf hinweist,
das transnationale Kapital werde eher den "Standort Deutschland"
aufgeben. Dem wird nun nach dem Motto "Was nicht sein darf, das
nicht sein kann" widersprochen: Die Arbeiterbewegung werde sich
selbst aufgeben, wenn sie sich ihre Forderungen von der Gegenseite
diktieren lasse.
Hier ist es wichtig, Schuhler - die realistische Argumentation - in Schutz
zu nehmen.
Unter den Bedingungen eines globalisierten Kapitalismus kann jede
Arbeiterbewegung aus der Sicht einer wie auch immer gefärbten Regierung
nur zum Abbau weiterer Arbeitsplätze führen. Dies gilt allerdings
nur für nationalstaatlich gebundene Arbeiterbewegungen, die eine
Klientelpolitik betreiben und die für Erwerbslose bestenfalls tröstende
Worte bereit hält. Anders wäre es erst, wenn sich eine international kooperierende
und schlagkräftige Arbeiterbewegung bilden würde. Doch dies ist
nicht in Sicht. Die einzige stringente Konsequenz aus Schuhlers
Analyse wäre es, die Systemfrage zu stellen. Doch die Mehrheit der
Linken - ebenso wie Schuhler - ist nicht Willens, den Kapitalismus
in Frage zu stellen. Dies wird damit abgetan, die Zeit für eine
Revolution sei noch lange nicht reif. Ausschlaggebend für diese
Einschätzung ist jedoch wiederum die Fixierung der orthodoxen Linken
auf die "Arbeiterklasse" als revolutionäres Subjekt. Dies gilt gleichermaßen
für die sozialdemokratisch wie für die stalinistisch oder trotzkistisch
orientierten Teile. Bei dieser dogmatischen Sichtweise werden nicht
nur die Erwerbslosen übersehen, es wird auch übersehen, daß die
gesamten unteren Zweidrittel der Gesellschaften der Industrienationen
zu den Verlieren zählen, die es zu organisieren gilt. Und es wird
darüberhinaus übersehen, daß durch den weiteren Anstieg der
Produktivität bei gleichzeitig an globale Grenzen stoßendem Absatz
die Zahl der Arbeiter weiter abnehmen wird.
Zugleich wird gegen Schuhler eingewendet, von "Rot-Grün" kämen
dieselben Argumente. Auch dies kann nicht als Widerlegung
durchgehen: "Rot-Grün" argumentiert auf dem Hintergrund von
TINA (There is no alternative). Innerhalb des Kapitalismus gibt
es tatsächlich keine Alternative.
Gruß
Lisa
2.09.05
@Günter (31.08.)
[Demokratie-Diskussion]
Liebe Freunde!
Ich bin skeptisch, ob Deine Ideen zu einer Vernetzung kleiner Druckereien und
Lokalzeitungen realisierbar sind. Schön wäre es, aber woher soll das Geld
kommen? Unter den jetzigen gesellschaftlichen Bedingungen ist ja wohl
an Enteignung nicht zu denken - mal ganz abgesehen davon, daß von einer
Branche ausgehst, die völlig am Boden liegt. Kleine Druckereien gibt es ja
kaum noch. Andererseits hast Du recht, wenn Du den Vorteil bei Branchen
beschreibst, die zusammengebrochen sind oder einen Rückschlag erlitten:
Da ist dann weniger Konkurrenz und etwas neues hat Platz und Luft zum
Gedeihen.
Die Alternative, daß wir immer warten müssen, bis irgendeine Firma Pleite
geht und so unter erleichterten bedingungen an die Belegschaft übergehen
kann, wie es bei der Glashütte Süßmuth der Fall war, ist nicht gerade rosig.
Dies hängt immer vom Zufall ab, unwahrscheinlich ist dann, daß Betriebe
aus einer Branche von der Belegschaft übernommen werden und so bleibt
eine Vernetzung schwierig.
Ich habe jetzt leider nichts positives anzubieten, aber vielleicht regt meine
Kritik an Günters Ideen andere an, Lösungen zu finden.
Solidarische Grüße
Manuela
3.09.05
Hi
Wenn jetzt plötzlich einige Linke von historischer Chance fabulieren und
dieser Partei hinterher rennen, die von wenigen PolitfunktionärInnen von
oben nach unten gegründet wurde, ist das schon reichlich komisch.
Am 1. November 2003 als zum ersten mal über 100.000 Menschen in Berlin
gegen Sozialabbau auf die Straßen gingen, haben die FunktionärInnen noch
ungläubig aus der Wäsche geguckt. Und erst nach Beginn der Montagsdemos
im August 2004 kamen sie auf die Idee, das sozialdemokratisch zu
kanalisieren und eine neue Partei zu gründen. Jedes eigenständige
Engagement wird von solchen Leuten - wie der Streit um eine zentrale
Demo Anfang Oktober im letzten Jahr gezeigt hat - mit Vorliebe kaputt
gemacht.
Die Leute, die sie dafür einspannen, ihre Wahlplakate zu kleben und Nebenräume
in Kneipen für Wahlversammlungen zu organisieren, kommen schon
nicht mehr so schnell auf die Idee, den Protest auf die Straße zu tragen.
Von denen, die jetzt an der Spitze der sogenannten Linkspartei stehen,
ist in den letzten Jahren in keinem einzigen Fall etwas Konstruktives
zum Protest gegen den Sozialabbau beigetragen worden. Im Gegenteil:
Beim Opelstreik letzten Oktober wiegelten sie ab und immer wieder
ertönen Warnungen aus ihren Reihen, die Wut gegen den Sozialabbau
könne bald nicht mehr kontrolliert werden.
Aber über
die SPD jammern, das können sie - und zugleich hoffen sie, daß
die SPD (wie immer verbal) ihren Kurs ändert, damit sie die neue
Partei schnellstmöglich auflösen oder mit der SPD verschmelzen
können. Am liebsten würden sie zurück in die Zeit Willy Brandts,
zurück zu ein bißchen Sozialstaat, ein "bißchen Demokratie wagen"
(als Parole), wobei sie meinen, Beufsverbote seien nur ein
Versehen gewesen.
Am meisten Zeit brauchten sie für die Diskussion um einen neuen
Parteinamen und zugleich fiel eine klares "Weg mit Hartz IV"
für kompromisslerische Forderungen hinten runter. Der Sozialstaat
soll mit tollen Steuererhöhungen finanziert werden und von
Abrüstung, Verbot von Rüstungsexporten oder "Raus aus der
NATO" ist kaum mehr etwas zu hören.
Schwätzer, Talkshow-Lieblinge, der BILD-Kolumnist Lafontaine
und der abgehalfterte frühere Chef der baden-württembergischen
Landes-SPD Ulrich Maurer werden aufs Schild gehoben, um
dann im Bundestag ihre Variante von Realpolitik verkaufen
zu können.
Die Grabenkämpfe in der Linkspartei sind absehbar, wenn die
alten PDS-Funktionäre merken, wie sie von Polit-Profis an
die Wand gespielt werden. Die Linkspartei wird sich
ausschließlich mit sich selbst beschäftigen, auf Initiativen
zum Widerstand gegen den Sozialabbau wird mensch da
lange warten können - im Gegenteil werden Leute und Kraft
aus dem Widerstand abgezogen. Dazu wird diese Partei,
wenn sich die Erfolglosigkeit ihrer Präsenz im Bundestag
gegen die betonharte Front von Rotschwarzgrüngelb
erwiesen hat, ihre AnhängerInnen in Resignation und
Lethargie treiben.
tschüs
Inke
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Klaus Schramm
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