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25.07.05
Warum ein politischer Wahlboykott?
Ist "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" wählbar?
Hilmar Kopper, der nicht mehr ganz junge frühere Aufsichtsrat bei DaimlerChrysler und Deutscher Bank plauderte 1999 einmal unvorsichtig 
aus dem Nähkästchen: "Wenn Sie mich vor anderthalb Jahren gefragt hätten, ob ich mir eine aktive Beteiligung der Bundesregierung auf 
dem Balkan unter rot-grüner Beteiligung vorstellen könnte, dann hätte ich Sie für nicht recht gescheit gehalten. Genauso aber kam es. 
Und es konnte nur von der rot-grünen Regierung kommen, sonst hätten wir in diesem Land eine Revolution gehabt. Ähnliches gilt wohl 
auch für die Veränderung des Sozialstaates. Wahrscheinlich müssen die heiligen Kühe von denen geschlachtet werden, die an ihrer 
Aufzucht am aktivsten beteiligt waren."[1]
Eine nüchterne Bilanz der als "rot-grün" firmierenden Politik der letzten sieben Jahre zeigt, daß eine "schwarz-gelbe" Koalition zumindest 
größere Schwierigkeiten gehabt hätte, diese durchzusetzen. So war der gegenüber der Vorgänger-Regierung unter Kohl forcierte 
Sozialabbau von "Rot-Grün" nicht zuletzt deshalb leichter durchzusetzen, weil die Gewerkschaften mit ihrer traditionellen Bindung an 
die SPD und der Verfilzung der oberen Funktionärsebene mit der Sozialdemokratie eingebunden und an die Kandare genommen 
werden konnten.
In vielen Zeitungsartikeln und Diskussionsbeiträgen in e-Medien wird zur Zeit der Eindruck erweckt, es gehe bei der anstehenden 
Bundestagswahl um die Alternative zwischen zwei verschieden großen Übeln. Diese ideologische Sichtweise weist kaum einen 
Bezug zur Realität auf. Mit der Drohung eines "Ausstiegs aus dem Atomausstieg" wird versucht, AKW-GegnerInnen wieder ins 
Lager von "Rot-Grün" zurück zu treiben. 
Laßt Euch nicht ins Bockshorn jagen!
In den letzten sieben Jahren wurden zwei AKWs vom Netz genommen: das von den Betreiberfirmen bereits vor 1998 als unrentabel 
bezeichnete AKW Stade und das älteste deutsche AKW Obrigheim. Atom-Minister Trittin rechnet sich zwar die Abschaltung von drei 
AKW "nach dem Atom-Ausstiegsbeschluß" zu gute und reklamiert die "endgültige" Stillegung des AKW Mülheim-Kärlich als seinen 
Erfolg. Mülheim-Kärlich wurde jedoch bereits 1988 - also zehn Jahre vor Beginn der "rot-grünen" Regierung per Gerichtsbeschluß abgeschaltet.
Das AKW Stade, dessen Abschaltung Trittin im November 2003 mit einem Sekt-Empfang zelebrierte, wurde wegen der Schein-Verhandlungen 
um den "Atomausstieg" entgegen der sonst allein ausschlaggebenden Profit-Interessen länger als vorgesehen betrieben. Und auch die 
Abschaltung des 1968 in Betrieb genommene AKW Obrigheim stellt keinen "Erfolg" dar. Ursprünglich waren alle deutschen AKWs 
für eine Laufzeit von 25 Jahren konzipiert. Jedes Jahr, in welchem das AKW Obrigheim während der Amtszeit von Trittin weiterbetrieben 
wurde, geht somit voll zu Lasten seiner "Verantwortlichkeit" - oder besser: Verantwortungslosigkeit.
Frecher weise behauptet Trittin immer wieder, "auch mit dem Atomausstieg" eine Vorreiter-Rolle in Europa zu spielen. Allzu wenige 
Menschen wissen, daß beispielsweise ein Atomausstieg 1978 in Österreich oder 1987 in Italien  real vollzogen wurde: Mehrere AKWs 
wurden abgeschaltet und rückgebaut und der Bau eines AKWs gestoppt. In die Amtszeit Trittins fällt dagegen der Neubau eines AKWs, 
des "Forschungs"-Reaktors FRM 2 in Garching, mit dem erstmals waffenfähiges Uran in Deutschland produziert wird. Die 
Urananreicherungsanlage in Gronau wurde auf ein Vielfaches ihrer Kapazität ausgebaut, so daß nun über den Bedarf deutscher 
AKWs hinaus auch exportiert werden kann.
Es wird bereits öfter davon geredet und geschrieben, daß nach Abwahl von "Rot-Grün" der "Atom-Ausstieg" als Status Quo verteidigt 
werden müsse und daß dann die politischen Fronten wieder "richtig herum" verlaufen würden. Was soll das konkret heißen: den 
Status Quo verteidigen? Damit wird auf die Propaganda von "Schwarz-Gelb" Bezug genommen, sich für eine unbefristete Verlängerung 
der AKW-Laufzeiten einzusetzen. Doch bereits jetzt existieren keine "befristeten" AKW-Laufzeiten. Solange kein konkreter 
Abschalt-Termin innerhalb der laufenden Legislaturperiode festgesetzt ist, sind die Laufzeiten unbefristet. Auf welche Laufzeiten 
soll die Anti-Atom-Bewegung also pochen? Sie soll sich wohl von ihrer - einzig verantwortbaren - Forderung nach sofortigem 
Atomausstieg verabschieden?
Wer sich statt an Propaganda und Partei-Programme an die Realität hält, ist sich darüber klar, daß AKW-Laufzeiten, die von irgendwelchen 
PolitikerInnen beschlossen werden, nichts Wert sind. Ein Blick nach Schweden, wo schon seit 1986 einige Male ein Atomausstieg 
beschlossen und verschoben wurde, kann dies belegen. Selbstverständlich sind im Fall einer Regierungsübernahme von "Schwarz-Gelb" 
heftige verbaler Gefechte zu erwarten über Aufhebung oder Bestand des "Atomausstiegs". Die Anti-Atom-Bewegung wäre schlecht 
beraten, darauf einzusteigen. Jedem realistischen Menschen sollte klar sein, daß es sich um pure Spiegelfechtereien handeln wird.
Auch einer "schwarz-gelben" Koalition dürfte es recht schwer fallen, die vier den Markt beherrschenden Energie-Konzerne E.on, RWE, 
EnBW und Vattenfall davon zu überzeugen, daß es wieder profitträchtig sei, in einen AKW-Neubau in Deutschland zu investieren. Seit 
1986 sind keine neuen kommerziellen AKWs in Deutschland beantragt worden. (Und 1989 ging mit Block 2 des AKW Neckarwestheim 
der letzte vor 1986 beantragte Reaktor ans Netz.) Als G.W. Bush 2000 zur US-Präsidentschaftswahl antrat, versprach er, den Bau von 
AKWs voranzubringen. Seitdem sind fünf Jahre vergangen - und wieviele AKWs in den USA gebaut worden? 1973 wurde in den USA 
der letzte Bau-Antrag für ein AKW in den USA eingereicht...
Vergessen scheint selbst bei vielen Atomkraft-GegnerInnen zu sein, daß Frau Merkel als "Umwelt"-/Atom-Ministerin gezwungen werden 
konnte, die CASTOR-Transporte zu stoppen. Unter Trittin wurden sie wieder aufgenommen. Es gibt hierzulande schon lange kein 
"kleineres Übel" mehr.
Bundeskanzler Schröder setzt erneut auf die Vergeßlichkeit der Menschen und versucht, ein weiters Mal die Karte des "Friedenskanzlers" 
auszuspielen. In einer Mediengesellschaft wird vieles nicht als Realität wahrgenommen oder auch schnell wieder vergessen, was nicht 
im medialen Trommelfeuer permanent wiederholt wird. So haben viele vergessen, daß der Afghanistan-Krieg und der Kosovo-Krieg mit 
"rot-grüner" Beteiligung geführt wurden, und viele haben bereits vergessen, daß sich Deutschland unter Kanzler Schröder sehr wohl 
am Irak-Krieg beteiligte und tagtäglich beteiligt; nur nicht so offen und mit Pathos wie die Hegemonialmacht USA, sondern 
klammheimlich und - unbestritten - mit weniger hohem Einsatz.
Diese Differenz zur USA hat allerdings keine friedenspolitischen oder "humanitären", sondern einzig und allein wirtschaftliche Gründe. 
Deutsche Konzerne hatten zusammen mit französischen und russischen bereits lukrative Verträge mit dem Regime Saddam Husseins 
zur Ausbeutung der irakischen Ölvorkommen für die Zeit nach Beendigung des Embargos abgeschlossen. Die US-amerikanische 
Öl-Industrie wäre dadurch ins Hintertreffen geraten. Auch Merkel und Stoiber, die in anderen Fällen bereits Proben ihrer politischen 
Flexibilität abgelegt haben, hätte in den Monaten von Herbst 2002 bis Anfang 2003 im Falle einer Unions-geführten Bundesregierung 
noch rechtzeitig einen plausiblen Grund für eine nur eingeschränkte deutsche Teilnahme am Irak-Krieg gefunden.
Ist die "Linkspartei" eine überzeugende Alternative?
Diese eigentlich noch gar nicht existierende Partei wird auch nach der Umbenennung der PDS und dem bevorstehenden Zusammenschluß 
mit der WASG maßgeblich von PDS-Funktionären beherrscht. Auch sie haben schon genügend Proben ihrer "Politikfähigkeit" abgelegt. 
Die PDS ist nach den "Grünen" ein weiteres Beispiel für "Realpolitik" im Realitätstest. Beteiligt an Koalitionen in den Landesparlamenten 
von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin spielten sie nicht nur die Rolle als Rädchen im Getriebe des Sozialabbaus ohne jeglichen 
Knirschfaktor, sie gaben auch jede beliebige friedenspolitische Position ohne Zögern auf, wenn es dem Erhalt von Pöstchen diente. Die 
Parteibasis hatte darauf keinerlei Einfluß. Umgekehrt: Zuerst wurden Positionen wie Bundeswehreinsätze unter UN-Mandat von PDS-Promis 
festgezurrt und anschließend von der Basis auf Parteitagen (Münster) abgeseget. Und in der Berliner Senat stimmte mit den dafür nötigen 
PDS-Mitgliedern auch der EU-Verfassung zu, die sämtliche EU-Staaten zu permanenter Aufrüstung verpflichtet hätte.
Oskar Lafontaine wurde in der 'Frankfurter Rundschau' vom 5. Juli ausgiebig Platz in einem Interview eingeräumt, um auf die Kampagne zu 
antworten, die an seiner Aussage über "Fremdarbeiter" entzündet worden war. Es würde in die Irre führen, sich mit der Glaubwürdigkeit 
Lafontaines zu beschäftigen, aber eine zentrale Stelle in diesem Interview bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit, die illusionäre und damit 
gefährliche Programmatik der neuen "Linkspartei" zu widerlegen.
Lafontaine beschwert sich, die Regierung ignoriere seine konstruktiven Vorschläge: "Wenn wir darauf hinweisen, dass alleine eine 
Vermögensbesteuerung wie in den USA 50 Milliarden mehr Einnahmen pro Jahr bringen würde, müssten sie das ja widerlegen können. 
Das können die aber nicht."
Daß "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" diesem Argument ausweicht, beweist überhaupt nichts. Daß aber Linke massenhaft auf einen solchen 
argumentativen Taschenspielertrick hereinfallen, ist beschämend für den Zustand der Linken in Deutschland. Viele sind über diesen 
"Beweis" für die Machbarkeit linker "Realpolitik" im Kapitalismus so begeistert, daß sie sich keine Sekunde Zeit nehmen, über die 
Merkwürdigkeit nachzudenken, daß hier ausgerechnet die US-Regierung als Kronzeugin herangezogen wird. Da stellt sich doch die 
Frage, warum wohl die US-amerikanischen Großverdiener widerstandslos ihre Vermögenssteuer zahlen. Ist denn hierzulande Linken 
nicht bekannt, wozu der größte Teil des US-amerikanischen Staatshaushalts verwendet wird? Für Sozialausgaben etwa?
Der US-"Verteidigungs"-Haushalt betrug 2004 offiziell 379,9 Mrd. Dollar. Er war damit größer als der der folgenden sechs Staaten zusammen. 
Und bis 2007 soll er auf über 500 Mrd. Dollar steigen. Die Reichen in den USA wissen genau, daß sich diese Investition beispielsweise 
durch das "Irak-Engagement" lohnt: Täglich fließen sechs bis sieben Millionen Barrel Öl aus dem Irak über die Türkei und das Mittelmeer 
unregistriert in die US-Wirtschaft. Das entspricht rund zwei Drittel der gesamten (offiziellen) Fördermenge Saudi-Arabiens. Damit dürfte 
auch klar sein, warum "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" keine Antwort auf das Argument Lafontaines zu bieten hat.
Lafontaine - oder irgendwer sonst - hat aber keinerlei Chance Kanzler zu werden, wenn er die Vermögenssteuer oder Einkommensteuer, 
Gewerbesteuer, Zinsabschlagsteuer, Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer erhöhen will, um dieses Geld statt für Aufrüstung in 
den Sozialetat fließen zu lassen. (Nebenbei bemerkt: Durch Senkung der fünf zuletzt genannten Steuerarten hat "Rot-Grün" seit 2000 
jährlich Steuereinnahmen von über 20 Mrd. Euro verschenkt.) Niemand hat die Chance an die Regierung zu kommen oder deren Kurs 
auch nur zu beeinflussen, der oder die nicht zuvor von denen jahrelang durchgecheckt wurde, die die Macht im Staate haben. Den 
"Primat der Politik über die Ökonomie" zu verkünden, heißt nichts anderes, als gefährliche Illusionen zu verbreiten.
"Sie meinen, sie seien an der Macht, dabei sind sie nur an der Regierung."
(Kurt Tucholsky)
Es lohnt sich nicht, die Wahlprogramme von WASG und PDS im Einzelnen zu analysieren. Nach demselben Schema wie der steuerpolitische 
Vorschlag Lafontaines werden "realpolitische" Forderungen erhoben, die nur dann einzulösen wären, wenn die neue Linkspartei einen Einfluß 
auf die Regierungspolitik erlangen und (!) wenn eine solche Regierung sich von der "Richtlinienkomptenz" des Kapitals befreien könnte. Doch 
mit welcher der anderen Parteien sollte eine solche Regierung möglich sein? Und diese "realpolitische" Programmatik ist nicht allein unter 
diesem Aspekt unrealistisch, sondern zugleich deshalb, weil sie im Kern auf eine sozialdemokratische Politik Marke 70er Jahre abzielt. Eine 
Rückkehr zu 'Deficit spending' und keynesianisch mit erhöhter Verschuldung finanzierter "Belebung der Binnennachfrage" ist jedoch angesichts 
gezielt ruinierter Staatsfinanzen und globalisierter Rahmenbedingungen schlicht nicht mehr möglich. Eine überzeugende Kritik der von 
"Schwarz-Rot-Gelb-Grün" exekutierten Politik gelingt mit solchen politischen Programmen nicht. Der Slogan "Eine andere Welt ist möglich", 
den sie ungeniert in Beschlag nehmen, konterkarieren sie nicht nur - sie verstellen zugleich die Entwicklung einer wirklichen Perspektive.
Es ist fast müßig, darauf hinzuweisen, daß eine solche sozialdemokratische Politik mit dem Ziel Arbeitsplätze zu schaffen, nur mit einem 
enormen Wirtschaftswachstum zu realisieren wäre. Weder im PDS-Programm von 2003 noch im WASG-Programm ist irgendein kritisches 
Wort zu Wirtschaftswachstum zu finden. An den Ex-SPDlern und Trotzkisten in der WASG und an den PDS-lern scheint die gesamte 
Diskussion über die "Grenzen des Wachstums" in den 70er Jahren spurlos vorüber gegangen zu sein. Es wird schlicht ignoriert, daß 
Wirtschaftswachstum auf einem begrenzten Planeten den beschleunigten Raubbau an den Ressourcen fortsetzt und zugleich mit der 
damit verbundenen Umweltverschmutzung und -vergiftung die Zerstörung voran treibt. Selbst eine Partei wie die MLPD, die in ihrem 
gesamten Parteiprogramm gerade mal einen einzigen Satz über die Atomenergie verliert, schreibt darin - wenn auch wenig präzise - von 
"Kreislaufwirtschaft". 
Sobald jedoch - wie bereits abzusehen - der gegenwärtige Vorsprung von "Schwarz-Gelb" vor "Rot-Grün" im Wahlkampf dahinschmilzt, 
wird die Frage auftauchen und nicht länger zu umgehen sein, wie es denn die neue "Linkspartei" mit "Rot-Grün" halten wird. Bezeichnender 
Weise wurde Oskar Lafontaine von der 'FR' nur nach dem Kurs der neuen "Linkspartei" im Falle einer großen Koalition gefragt. Von der 
Frage nach Tolerierung (oder gar Koalition mit) einer "rot-grünen" Regierung bleibt Lafontaine gnädig verschont, da deren Beantwortung 
einem Offenbarungseid gleichkäme. Und der Hoffnung, daß sich "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" mit einer großen Koalition wie in den 60er Jahren 
der Gefahr einer neuen APO aussetzt, sollte sich die Linke besser nicht hingeben.
Lafontaine gibt selbst zu, daß "Rot-Grün" auf die Konkurrenz durch die neue "Linkspartei" (bisher) "nur mit Worten" reagiert. Wer die Jahre 
1998 bis 2002 nicht verschlafen hat, dürfte bemerkt haben, daß auch die Opposition einer größeren PDS-Fraktion im Bundestag keinerlei 
reale Wirkung hatte.
Die große Gefahr besteht jedoch darin, daß die neue "Linkspartei" nach der Bundestagswahl im Herbst durchaus eine reale Wirkung entfaltet. 
Ihre Aufgabe könnte nicht nur darin bestehen, große Teile der Linken weiter an eine parlamentarische Orientierung zu binden - als ihre 
Hauptaufgabe könnte sich erweisen, eine Fortsetzung der "rot-grünen" Politik des Sozialabbaus als Teil einer "rot-rot-grünen" Formation 
propagandistisch abzusichern. Der Slogan hierzu müßte nicht neu erfunden werden: "Unter Merkel wäre alles noch schlimmer!"
Mit der inszenierten Auseinandersetzung um Oskars "Fremdarbeiter"-Spruch wird gründlich davon abgelenkt, daß nicht nur Lafontaine, 
sondern eine ganze Reihe der maßgeblichen Funktionäre von WASG und PDS sich nicht wesentlich von der herrschenden Politik abheben.
Lafontaine äußerte sich in u.a. in seiner Kolumne für Deutschlands meistverkaufes Toilettenpapier 2003 und 2004 - im Zusammenhang 
mit dem Fall Daschner - positiv zur Folter. Lafontaine äußerte sich positiv zu den Plänen Otto Schilys, Internierungslager für Asylsuchende 
in Nordafrika einzurichten.
Lafontaine hat sich bereits vor 1998 für die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe inclusive Zwangsarbeit, die Schaffung 
eines Niedriglohn-Sektors, Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich und die Flexibilisierung von Tarifverträgen ausgesprochen. 
"Wir werden ähnlich wie in England dafür sorgen, daß die Zahlung von Sozialhilfe an strenge Regeln geknüpft wird! Eine angebotene 
Arbeit muß angenommen werden. Sonst wird die Sozialhilfe gekürzt!" 
(Original-Zitat Oskar Lafontaine, 9. Juli 1998)
Lafontaine äußerte sich weder während dem deutschen Kriegseinsatz im Kosovo noch dem in Afghanistan kritisch gegen die Bundesregierung.
Lafontaine trat bereits 1989 als erster in der SPD für die Abschaffung des Asylgrundrechts ein. (Die Abschaffung des Asylgrundrechts 1993 
war übrigens für Günter Grass, der da einmal einen Lichtblick hatte, der Anlaß, aus der SPD auszutreten.) Anhand öffentlicher Äußerungen 
Lafontaines in den Jahren vor 1993 läßt sich nachweisen, daß er innerhalb der SPD eine maßgebliche Rolle bei deren Zustimmung für die 
Abschaffung des Grundrechts auf Asyl spielte. Ein anderer ehemaliger SPD-Vorsitzender hatte immerhin mal das Rückgrad von einer 
Entscheidung, an der er 20 Jahre zuvor beteiligt war als "Irrtum" zu sprechen. (Einer Entscheidung, die weniger Menschen weniger 
existentiell getroffen hat.)
Lafontaine trat bereits als Oberbürgermeister der Stadt Saarbrücken - lange vor Inkraftreten des AsylbLG - konsequent für Sachleistungen und 
große Sammellager für Asylbewerber ein. Und als saarländischer Ministerpräsident sorgte er persönlich für das restriktivste Landes-Pressegesetz 
in ganz Deutschland.
Die neuen "Linkspartei" stellt entsprechend historischen Vorbildern - unfreiwillig - die passende Antwort auf den wachsenden gesellschaftlichen 
Widerstand dar. Die Mächtigen müssen diese Partei nur noch mit der entsprechenden Medien-Begleitung populär machen. (Auch "bad news 
is good news!") Mit der Einrichtung solcher "Auffang-Gesellschaften" können die verlorenen Schäfchen - sachte, ganz sachte - wieder zur Herde 
zurück geführt werden. Die Aufgabe, die von der neuen "Linkspartei" erfüllt werden soll, wird noch deutlicher, wenn die Politik führender 
VertreterInnen der PDS in den letzten Jahren beleuchtet wird. Die WasserträgerInnen an der Basis, die heute gutgläubig für die neue 
"Linkspartei" Wahlkampf machen, werden benutzt, um den Strom, der mehr und mehr aus der betonierten Rinne ausbricht, wieder zurück 
auf die Mühlen der Parteipolitik und damit in systemkonforme Bahnen zu lenken.
Von Wolfgang Pohrt ist zwar nicht mehr so oft und so viel zu hören - dafür hat es dann aber Hand und Fuß. So meinte er letztes Jahr in 
einem Interview mit der 'Jungen Welt': "Findet in diesem Land keine Verarmung und Verelendung statt? Sind davon nicht Millionen betroffen? 
Haben nicht Hunderttausende dagegen demonstriert, aufgerufen dazu von Organisationen, deren oberstes Ziel es stets war und ist, jeden 
entschlossenen Protest im Keim zu ersticken?"
Und einer der PDS-Funktionäre, Peter Porsch, Vorsitzender der sächsischen PDS-Landtagsfraktion, warnte im Sommer 2004 kurz vor Beginn 
der Montags-Demos in einem Interview mit der Springer-Zeitung 'Die Welt', er fürchte, die kaum noch zu bändigende Wut über die "Arbeitsmarktreform" 
könne sich schnell in "unkontrollierbare Formen" wandeln.
Welches Ziel die maßgeblichen Leute in der PDS ansteuern, haben sie oft schon in erstaunlicher Offenheit und Deutlichkeit geäußert. Doch große 
Teile der deutschen Linken halten sich lieber die Ohren zu, ersparen sich das selbständige Denken und lassen sich von lächerlichen 
Umfrageergebnissen blenden. Als seien Wahlergebnisse von zehn oder zwölf Prozent der Schlüssel zur Macht im Staate!
Bereits im Juli 2002 verriet André Brie, Co-Autor des PDS-Parteiprogramms von 2003, im 'stern' seine "Perspektive zusammen mit der 
SPD dieses Land (zu) regieren". Und mit nahezu prophetischer Gabe schrieb er Lafontaine "eine entscheidende Rolle beim 
Zusammenkommen unserer Parteien" zu.
Häufig wird nun argumentiert, es gäbe kein "Naturgesetz", wonach jede neu gegründete Partei notwendigerweise den Weg der Anpassung 
einschlage. Übersehen wird dabei, daß es nicht um Naturgesetze, sondern um Machtverhältnisse und Interessen geht, zu deren Durchsetzung 
den Mächtigen alle Mittel recht sind. Nicht erst durch Äußerungen wie die von Peter Porsch wurden die Mächtigen im Lande auf die überraschend 
großen Teilnehmerzahlen bei Protesten gegen den Sozialabbau aufmerksam und erkannten darin eine Gefahr für den Bestand des Systems. 
Auch die Ansätze zu politischen Streiks wie bei Opel im letzten Oktober haben sie als Alarmsignal erkannt.
Bei der Wahl ihrer Mitteln greifen die Mächtigen mangels Kreativität allerdings meist schematisch auf Altbewährtes zurück: Zuckerbrot und 
Peitsche, Spaltung der Bewegung, "bewährte" Kräfte an die Spitze der Bewegung lancieren und - eben: die Bewegung in systemkonforme 
Bahnen umlenken.
Wenn sich die Bewegung auf die Mitarbeit in einer Partei und die Beteiligung am Parlamentarismus einläßt, läßt sie sich auf ein Terrain 
locken, wo sie klar unterlegen ist. Hunderttausende bestechen zu wollen, wäre ein hoffnungsloses Unterfangen. Bei fünfzig RepräsentantInnen 
im Bundestag wird dies dagegen ein leichtes Spiel, wobei es genügt, einigen wenigen "Einsichtigen" mit Interviews und Medienpräsenz zu 
Einfluß zu verhelfen und die "FundamentalistInnen" lächerlich zu machen oder totzuschweigen.
Auch das Argument, daß es sich bei der Basis von WASG und PDS um politisch erfahrene Menschen handele, die sich nicht so leicht von ihrem 
politischen Kurs abbringen ließen, vermag nicht zu überzeugen. Wer sich in der oder für die neue "Linkspartei" engagiert, gibt damit zu erkennen, 
daß sie oder er an politische Gestaltungs- und Einflußmöglichkeiten im Rahmen des Kapitalismus glaubt. Es ist ja gerade das fatale, daß diese 
neue "Linkspartei" die Illusion von einem Primat der Politik über die Ökonomie bestärkt. Doch auch wenn die Linkspartei an der nächsten Regierung 
beteiligt wird, kann damit nichts an der Richtung der gegenwärtigen Politik geändert werden.
Argumente können eine Wirkung entfalten, aber nicht im Parlament. Nur über den indirekten Weg, indem mit Hilfe von Argumenten eine Mehrheit 
organisiert wird, kann eine andere Politik durchgesetzt werden. Nur über realen ökonomischen Druck, sei es durch Streiks, durch Boykotts oder 
massenhaft verändertes Konsumverhalten kann etwas bewegt werden. Deshalb haben auch die unrecht, die den gewerkschaftlichen Kampf als 
systemerhaltend ablehnen. Entscheidend ist jedoch, daß jeder Kampf auf ökonomischem Gebiet mit einer klaren gesellschaftlichen Perspektive 
einhergeht.
Auch das vielfach vorgebrachte Argument, die Parteibasis könne irgendeinen Druck auf ParlamentarierInnen ausüben, ist illusionär. Daß dies 
nicht funktionieren kann, ist einerseits durch den Passus im Grundgesetz recht gut gewährleistet, in dem es heißt: 
"Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages (...) sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen." 
(Artikel 38)
Das bedeutet, daß sie an Aufträge und Weisungen ihres "Souveräns" nicht gebunden sind, durchaus aber an solche des Kapitals - und daß sie 
letztere als Äußerungen ihres Gewissens verbrämen können. Mit diesem Artikel 38 ist so ziemlich alles andere wertlos, was in diesem 
Grundgesetz an hehren Idealen enthalten ist. So hat der Deutsche Bundestag es bis heute nicht einmal für nötig befunden, Artikel 26 zu 
streichen, in dem es heißt:
"Handlungen, die geeignet sind, (...) die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen."
Zugleich ist die Einflußlosigkeit der Leute an der Parteibasis gegenüber "ihren" ParlamentarierInnen dadurch gewährleistet, daß die Gegenseite 
nicht nur über sehr viel mehr Geld, sondern damit auch über ein Heer von Lobbyisten und über die gesamte Medienmacht verfügt. Deshalb wird 
auch die Bedeutung der illegalen Korruption maßlos überschätzt. "Die legale Korruption, der Reiz und auch die Befriedigung, Teil einer 
besonderen Herrschaftselite zu sein - was sich auch in materiellen und immateriellen Staussymbolen ausdrückt -, reicht in der Regel zur 
Einbindung in die Interessen eines Mensch und Natur verachtenden Herrschaftssystems." (Jutta Ditfurth)
Auch das Argument, die Parteibasis könne auf Abgeordnete mit Parteiausschluß oder mit der Drohung, sie zur folgenden Bundestagswahl 
nicht wieder aufzustellen, ausreichend Druck ausüben, geht an den Realitäten vorbei. Dies kann den gewaltigen Druck der Gegenseite bei 
weitem nicht ausgleichen. Übersehen werden häufig der Zeitfaktor und die Dynamik, die durch den Anpassungsprozeß zugleich auf die 
Parteibasis wirkt: Erstens kann auch ein Parteiausschluß nichts daran ändern, daß betroffene Abgeordnete über die volle Dauer der 
Legislaturperiode im Bundestag verbleiben können. Dabei ist damit zu rechnen, daß sie in den Medien als Märtyrer dargestellt werden und 
ihre politische Position um so mehr hochgejubelt wird. Zweitens ist vorhersehbar, daß - wie üblich - scheibchenweise vorgegangen wird, so 
daß so kein Anlaß für eine solch gravierende Disziplinierungsmaßnahme wie ein Parteiausschluß geboten wird. Solche schleichenden 
Verschiebungen der politischen Positionen der Abgeordneten und deren Flankierung durch wohlwollende Berichterstattung, haben zugleich 
nach und nach eine Anpassung der Positionen an der Parteibasis zu folge - und sei es durch neu hinzukommende Mitglieder. Es ist 
tatsächlich sinnvoll, sich anzuschauen, warum dieses Spiel, bei dem sich die eine Seite von vornherein in eine unterlegene Position begibt, 
in der Vergangenheit immer zum so leicht vorhersehbaren Ergebnis geführt hat.
Eine wirkliche Alternative
Die Aufgabe der sozialen Bewegungen, der Friedensbewegung, der Anti-Atom-Bewegung, kann es nicht sein, sogenannte Wahlprüfsteine aufzustellen, 
um die überzeugendsten Schlagworte aus Parteiprogrammen - aus Lügenprogrammen -herauszufiltern oder gar bei deren Formulierung zu helfen. 
Wir müssen statt dessen eine visionäre Perspektive aufzeigen, für die es sich zu kämpfen lohnt. Und über unsere Kreise hinaus hinaus muß die 
Erkenntnis weitergetragen werden, daß sich nur dann etwas zum Positiven wendet, wenn die Menschen selbst aktiv werden, die Politik nicht länger 
StellvertreterInnen überlassen und ihr Vertrauen nicht länger über den Staat vermittelten Politikkonzepten schenken. 
Bereits jetzt sinkt die Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen und Bundestagswahlen von Mal zu Mal. Längst ist der Anteil der NichtwählerInnen 
durchweg stärker als der jeder Partei. Diese teil diffuse, wenig zielgerichtete und teils gar resignative Erosion der parlamentarischen Demokratie 
wird von Kanzler Schröder nach Kräften gefördert. Ähnlich wie zum Ende der Weimarer Republik besteht die große Gefahr, daß die letzten Reste 
der Freiheit geschleift werden und - wie Bertold Brecht es einmal formulierte - es "drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige 
Versuche sind". Brecht hat sich leider unglaubwürdig gemacht, indem er sich auf die Seite des Ostblocks gestellt und sich eine Kritik an der 
atomaren Aufrüstung des Sowjetunion verkniffen hat. Recht aber hatte er, wenn er diesen Satz wie folgt fortsetzte:
"...und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, 
wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, 
nicht die Hände zerschlagen werden."  
Wen er - vereinfacht und personifiziert - damit gemeint hat, denen die Hände zerschlagen werden müssen, dürfte klar sein. Ich übersetze das 
zeitgemäß mit: der Kapitalismus muß zerschlagen werden. Die Diktaturen des Ostens, in die viele Intellektuelle und WissenschaftlerInnen ihre 
Hoffnungen gesetzt hatten, sind glücklicher Weise in sich zusammen gebrochen. Darauf, daß auch der Kapitalismus von alleine zusammenbricht, 
dürfen wir und nicht verlassen.
Die Abschaffung des Kapitalismus jedoch ist nicht anders möglich als durch eine gewaltfreie Demokratisierung der gesamten Ökonomie, die 
von einer Mehrheit der Bevölkerung getragen werden muß. Anders kann dies nicht realisiert werden.
Es wird Zeit, umzusteuern, indem wir uns dafür einsetzen, eine wirkliche Demokratie zu errichten.
Klaus Schramm
 
Anmerkung:
[1] Hamburger Abendblatt, Nov. 1999